Schmerzen Im Oberen Rücken (Thorakalgie / Thorakalsyndrom)

Überblick

Die Brustwirbelsäule befindet sich im oberen Teil des Rückens und ist der größte Abschnitt der Wirbelsäule. Sie ist eine komplexe Konstruktion aus miteinander verbundenen Knochen (den Wirbeln), Gelenken, Nerven, Bändern und Muskeln, die alle zusammenarbeiten, um Halt und Stabilität zu gewährleisten. Eine Verletzung einer dieser Strukturen in der Brustwirbelsäule kann zu Schmerzen im oberen Rücken führen. In vielen Fällen werden die Schmerzen durch mehr als eine Struktur verursacht, sodass die Lokalisation der Schmerzquelle erschwert wird. Die chronischen Schmerzen im oberen Rücken stellen ein chronisches Schmerzsyndrom der Brustwirbelsäule dar, das mindestens 3 Monate andauert. Die Schmerzen im oberen Rücken werden meistens durch eine Muskelirritation hervorgerufen und werden auch als myofasziale Schmerzen bezeichnet.

Anatomie (Brustwirbelsäule)

Die Brustwirbelsäule besteht aus 12 Wirbeln, die von Th1 bis Th12 durchnummeriert sind. Die Buchstaben „Th“ stehen für „thorakal“. Der oberste Brustwirbel Th1 ist mit dem untersten Halswirbel C7 in der Halswirbelsäule verbunden. Der unterste Brustwirbel Th12 ist mit dem ersten Lendenwirbel L1 in der Lendenwirbelsäule verbunden. Diese Wirbel dienen zudem als Ansatzstellen für den Brustkorb. Die Brustwirbelsäule spielt diverse entscheidende Rollen, zu denen folgende zählen:

1. Schutz des Rückenmarks und der Spinalnerven

Die Brustwirbel schützen das Rückenmark, ein Nervenbündel, das Botschaften vom Gehirn an den restlichen Körper übermittelt. Das Rückenmark verläuft durch einen großen zentralen Kanal, der als Wirbelkanal oder Spinalkanal bezeichnet wird. Öffnungen bzw. Löcher an jeder Seite dieses Kanals, die Foramina intervertebralia oder auch Zwischenwirbellöcher genannt werden (Neuroforamen – Öffnung zwischen zwei benachbarten Wirbeln), dienen als Durchgänge für die Nervenwurzeln der Brustwirbelsäule. Die Nerven der Brustwirbelsäule kontrollieren die sensorischen und motorischen Signale vor allem für den oberen Rücken, die Brust und die Bauchregion.

2. Anker für den Brustkorb

Der Brustkorb, der von der Brustwirbelsäule am Rücken gestützt wird, bildet eine knöcherne Struktur, die die inneren Organe wie die Lungen und das Herz umgibt und schützt.

Anatomie (Kostovertebralgelenke bzw. Rippenwirbelgelenke)

An diesen Gelenken wird ein Brustwirbel mit einer Rippe verbunden oder artikuliert.

Anatomie (Bandscheiben)

Die Bandscheiben sind Stoßdämpfer, die sich zwischen den Knochen der Wirbelsäule (d.h. den Wirbeln) befinden. Sie tragen zur Erhaltung der Beweglichkeit des Rückens und gleichzeitig zum Widerstand gegen Kräfte bei und sie ermöglichen die Beugung, Biegung und Drehung der Wirbelsäule. Jede Bandscheibe besteht aus einer dicken äußeren Schicht, dem sogenannten Annulus fibrosus bzw. Faserring, der den weichen gallertartigen Kern umgibt, der als Nucleus pulposus bezeichnet wird.

Anatomie (Facettengelenke)

Die Facettengelenke verbinden die Wirbel der Wirbelsäule miteinander. Sie gewähren den Wirbeln Stabilität, Halt und Beweglichkeit, insbesondere bei der Streckung, Beugung und Drehung. Jeder Wirbel hat zwei Paare von Facettengelenken. Sie befinden sich im hinteren Abschnitt des Wirbels und aus diesem Grund werden sie auch hintere Wirbelgelenke genannt. Jedes Gelenk bildet sich aus dem unteren Gelenkfortsatz des oberen Wirbels und dem oberen Gelenkfortsatz des darunter liegenden Wirbels. Diese Gelenke sind mit Knorpel überzogen und von einer Kapsel umgeben. Jede Gelenkkapsel enthält viele mikroskopische nozizeptive Fasern (Schmerzrezeptoren), sodass diese Struktur eine potenzielle Schmerzquelle darstellt. Wie andere Körpergelenke auch, sind die Facettengelenke für Entzündung und Degeneration anfällig.

Ursachen

Die Schmerzen im oberen Rücken sind auf eine zugrundeliegende Störung der Knochen, der Gelenke, der Bandscheiben, der Muskeln oder der Nerven im oberen Rücken zurückzuführen. Die anatomischen Strukturen im thorakalen Bereich sind miteinander verbunden, sodass die Verletzung einer Struktur gegebenenfalls die normale Funktion auch anderer Strukturen beeinträchtigen kann. Im Vergleich zur Hals- und Lendenwirbelsäule ist die Brustwirbelsäule viel resistenter gegen Verletzungen und Schmerzen.

Ursachen (Muskelzerrung und Verstauchungen)

Zerrungen und Verstauchungen im oberen Rücken, die durch eine Schädigung der Muskeln und der Bänder verursacht werden, sind die häufigste Ursache für Schmerzen im oberen Rücken. Zerrungen treten auf, wenn ein Muskel überdehnt und gerissen wird, wobei nur der Muskel selbst geschädigt wird. Verstauchungen entstehen dann, wenn die Überdehnung und der Riss auch die Bänder miteinbeziehen, die die Knochen zusammenhalten. Eine Muskelzerrung und/oder eine Verstauchung eines Bandes der Brustwirbelsäule kann plötzlich auftreten, wie z.B. beim Heben eines schweren Gegenstandes oder durch Verdrehen der Wirbelsäule beim Heben. Sie kann sich auch langsam im Laufe der Zeit durch sich wiederholende Bewegungen entwickeln, wie z.B. eine schlechte Körperhaltung. Die Überbeanspruchung oder der Nichtgebrauch der großen Muskeln des oberen Rückens kann zu einer Muskelermüdung oder -schwäche führen, die Schmerzen und Beschwerden im oberen Rücken zur Folge hat. Die myofaszialen Schmerzen sind Schmerzen, die durch eine Muskelirritation verursacht werden. Die Ausgangspunkte der Schmerzen (Triggerpunkte) sind überempfindliche schmerhafte Knoten, die an den Muskeln entstehen können.

Ursachen (Degenerative Bandscheibenerkrankung)

Eine weitere häufige Ursache für Schmerzen im oberen Teil des Rückens ist die degenerative Bandscheibenerkrankung. Es handelt sich dabei um eine altersbedingte Erkrankung, die auftritt, wenn eine oder mehrere Bandscheiben abgenutzt sind oder Risse/Spalte aufweisen und so eine Verschiebung der Wirbel über und unter der entsprechenden Bandscheibe zulassen. Dabei können die Knochen aneinander reiben und benachbarte Nervenwurzeln zusammendrücken, wodurch Schmerzen und gegebenenfalls begleitende neurologische Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche in den von den betroffenen Nervenwurzeln versorgten Bereichen verursacht werden.

Ursachen (Thorakaler Bandscheibenvorfall)

Bei dem thorakalen Bandscheibenvorfall, also dem Bandscheibenvorfall im Brustwirbelsäulenbereich, handelt es sich um eine Erkrankung, die den oberen Rücken betrifft. Der Bandscheibenvorfall kann dazu führen, dass das Material aus dem Inneren der Bandscheibe nach außen tritt und somit einen schädlichen Druck auf benachbarte Nervenwurzeln ausübt. Dies kann Schmerzen im oberen Rücken und gegebenenfalls Schmerzen und neurologische Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche verursachen, die in die Brust und den Bauch ausstrahlen können. Im Allgemeinen ist die Brustwirbelsäule im Vergleich zur Hals- und Lendenwirbelsäule seltener betroffen.

Ursachen (Facettensyndrom)

Die Facettenerkrankung oder das Facettensyndrom bezieht sich auf die Schmerzen, die von den Facettengelenken ausgehen. Die Erkrankungen dieser Gelenke können zu einer leichten bis hin zu einer sehr starken Aktivitätseinschränkung der Patienten führen.

Ursachen (Arthrose der Brustwirbelsäule/Spondylose)

Die Arthrose der Wirbelsäule tritt als Folge des natürlichen Alterungsprozesses auf. Sie kann jedes Segment der Wirbelsäule befallen und dabei Schmerzen und Beschwerden verursachen, die sich im Laufe der Zeit verschlimmern können. Bei der thorakalen Spondylose handelt es sich um einen allgemeinen Begriff für die Beschreibung der Schmerzen, die von degenerativen Erkrankungen der Brustwirbelsäule hervorgerufen werden.

Ursachen (Foramenstenose in der Brustwirbelsäule)

Wenn ein Foramen (Knochenöffnung, durch die eine Nervenwurzel den Wirbelkanal verlässt) schmaler und kleiner wird, hat die Nervenwurzel weniger Raum zur Verfügung und kann dabei komprimiert werden. Degenerative Veränderungen im Zusammenhang mit Arthrose und/oder einer degenerativen Bandscheibenerkrankung in der Brustwirbelsäule können zur Bildung von Knochenvorsprüngen (Osteophyten), zur Verdickung (Ossifikation/Verknöcherung) der Wirbelbänder oder zur Bandscheibenvorwölbung führen. Dies hat zur Folge, dass ein schädlicher Druck auf die Nervenwurzel im Foramen intervertebrale (Zwischenwirbelloch) ausgeübt wird.

Ursachen (Thorakale Spinalstenose)

Eine spinale Stenose ist eine Verengung des Wirbelkanals (des knöchernen Kanals, durch den die Spinalnerven und das Rückenmark verlaufen) oder der Foramina intervertebralia (der Zwischenwirbelöffnungen, durch welche die Nervenwurzeln aus dem Wirbelkanal austreten). Der vorgenannte Zustand kann zu einer Kompression der Nerven oder des Rückenmarks führen (thorakale Myelopathie). Die spinale Stenose tritt oft als Folge degenerativer Erkrankungen wie Gelenkverschleiß (Arthrose) und/oder degenerativer Veränderung der Bandscheiben auf.

Ursachen (Thorakale Radikulopathie)

Bei der thorakalen Radikulopathie handelt es sich um eine Erkrankung, bei der eine Störung einer oder mehrerer Nervenwurzeln in der Brustwirbelsäule vorliegt. Sie manifestiert sich in der Regel als Schmerz, der vom Brustbereich entlang der betroffenen Nervenwurzel ausstrahlt. Er kann dabei von Störungen der Sensibilität, der Motorik oder der Reflexe begleitet sein. Jede Erkrankung, bei der die zervikalen Nervenwurzeln in irgendeiner Art und Weise komprimiert oder gereizt werden, kann eine thorakale Radikulopathie verursachen. In den meisten Fällen ist sie die Folge einer degenerativen Erkrankung der Brustwirbelsäule.

Ursachen (Verletzung)

Die Schmerzen im oberen Rücken können durch direkte Verletzungen des oberen Teils des Rückens verursacht werden. Diese umfassen unter anderem Stürze, Verkehrsunfälle und Sportverletzungen. Eine Gewalteinwirkung könnte zur Fraktur eines Wirbels oder einer Rippe führen.

Ursachen (Kompressionsfrakturen)

Kompressionsfrakturen werden meistens durch Osteoporose bei älteren Menschen, vor allem bei postmenopausalen Frauen verursacht. Bei der Osteoporose handelt es sich um eine Knochendichteminderung, die leicht zu Rissen und Frakturen der Knochen führt. Die Kompression dieser verwundbaren Wirbel führt zu kleinen Frakturen im Vorderteil der Knochen der Wirbelsäule und demzufolge zur Verformung der Knochen, die eine Keilform annehmen. Zudem führt die Kompression der Knochen zur Höheminderung des osteoporotischen Wirbelkörpers, die Schmerzen im oberen Rücken und Veränderungen bei der Körperhaltung verursachen kann.

Ursachen (Kyphose)

Kyphose ist ein allgemeiner Begriff, der verwendet wird, um die übermäßige Krümmung der Brustwirbelsäule nach vorne zu beschreiben, die zum Rundrücken führt. Viele unterschiedliche Ursachen können zu dieser Verformung der Wirbelsäule führen. Die häufigste Ursache für die Kyphose bei älteren Menschen sind Kompressionsfrakturen wegen Osteoporose. Die Kyphose kann überdies als Folge einer degenerativen Bandscheibenerkrankung auftreten. Die Scheuermann Erkrankung ist die Kyphose bei Jugendlichen, die auf eine pathologische Entwicklung der Wirbelsäule und der Bandscheiben zurückzuführen ist.

Ursachen (Skoliose)

Die Skoliose ist eine pathologische seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule. Diese Verformung der Wirbelsäule entwickelt sich hauptsächlich im mittleren Kindesalter. Bei den Kindern ist sie in der Regel asymptomatisch. Schmerzen im oberen Rücken können bei Erwachsenen nach langjähriger Verformung oder in schweren Fällen von Skoliose auftreten.

Symptome

Die Symptome im oberen Rücken können je nach Schmerzausgangspunkt bzw. Schweregrad der Verletzung in unterschiedlichen Formen auftreten. Die Schmerzen im oberen Rücken können leicht und nur unangenehm sein oder wiederum so stark sein, dass sie die täglichen Aktivitäten der Patienten beeinträchtigen. Die Schmerzen im oberen Rücken können plötzlich auftreten oder sich langsam entwickeln und sich allmählich im Laufe der Zeit verschlimmern.

Die Symptome können kurz andauern, intermittierend auftreten oder dauerhaft persistieren. Die Schmerzen im oberen Rücken sind normalerweise mit Steifigkeit vergesellschaftet, die sich in der Regel durch Verspannung und Muskelschmerzen auszeichnet. Die Symptome können sich bei bestimmten Tätigkeiten oder Körperhaltungen verschlimmern und bessern sich meistens durch Wechsel der Körperposition und Bewegung.

Im Falle einer Kompressionsfraktur wegen Osteoporose ist das erste Symptom normalerweise ein akuter Schmerz im Rücken, der meistens durch Ruhe gelindert wird. Der Bereich rund um die Fraktur kann berührungsempfindlich sein.

Bei der spinalen Stenose und dem thorakalen Bandscheibenvorfall kann ein komprimierter Spinalnerv im Brustbereich zu Schmerzen im oberen Rücken führen und womöglich Schmerzen und neurologische Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche verursachen, die in die Brust und in den Bauch ausstrahlen können.

Behandlung

Die Optionen für die Behandlung der Schmerzen im oberen Rücken sind von der Schmerzquelle bzw. der Ausprägung der Verletzung abhängig. Das Augenmerk der Behandlung der Schmerzen in der Brustwirbelsäule liegt auf der Schmerzlinderung, der Stabilisierung der Wirbelsäule und der Verbesserung bzw. der Erhaltung der Beweglichkeit. Dies kann durch Ruhe, Wärmetherapie, Analgetika/Antiphlogistika, Muskelrelaxantien, manuelle Therapie und auch Physiotherapie erreicht werden.

Die schmerzhaften, angespannten Muskeln können durch eine Kombination der vorgenannten Therapien mit der Infiltration dieser Muskeln mit einem Lokalanästhetikum entspannt werden (Triggerpunkt-Infiltration).

Zudem kann eine Infiltration oder Blockade der Facettengelenke durchgeführt werden, um die Schmerzlokalisation zu bestätigen und die Schmerzen zu behandeln. Wenn die üblichen konservativen Therapiemethoden keine Wirkung aufweisen und der Patient positiv auf die Facettengelenksblockade reagiert hat, dann kommt als nächste Therapieoption die Radiofrequenzdenervation der Facettengelenke in Betracht.

Im Falle einer Kompressionsfraktur aufgrund von Osteoporose beinhaltet die Therapie sowohl die Behandlung der Fraktur als auch die Behandlung der zugrundeliegenden Osteoporose. Die Therapie kann Schonung, Wärmetherapie, Analgetika oder Antiphlogistika, Physiotherapie und Rückenstützen (orthopädische Orthesen) umfassen. Eine Operation wie Vertebroplastie und Kyphoplastie kann in ausgewählten Fällen erwogen werden.

Die thorakale Radikulopathie kann normalerweise ohne Operation durch eine Kombination aus Schmerztherapie, Physiotherapie und therapeutischen Wirbelsäuleninjektionen erfolgreich behandelt werden.

Eine Operation kann empfohlen werden, wenn die konservativen Behandlungsmethoden keine ausreichende Schmerzlinderung verschaffen oder wenn ein schweres neurologisches Defizit vorliegt, wie z.B. progressive Muskelschwäche oder Rückenmarkskompression in der Brustwirbelsäule (thorakale Myelopathie).

 

Literaturangaben

1. Kraemer J., Hasenbring M., Kraemer R., Taub E., Theodoridis T., Wilke H.J.: Intervertebral Disc Diseases: Causes, Diagnosis, Treatment and Prophylaxis. Thieme 2009.

2. Theodoridis T., Kraemer J.: Injektionstherapie an der Wirbelsäule. Manual und Atlas. 3. Auflage. Thieme 2017.

3. Niethard F., Pfeil J., Biberhaler P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. 6. Auflage. Thieme 2009.

4. Wirth CJ., Mutscher W.: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. 2. Auflage. Thieme 2009.