Schmerzen Im Unteren Rücken (Lumbalgie / Lumbago / Hexenschuss)

Überblick

Die Lendenwirbelsäule, auch als unterer Rücken bekannt, ist eine komplexe Konstruktion aus miteinander verbundenen Knochen (Wirbeln), beweglichen Gelenken, Nerven, Bändern und Muskeln, die zusammenarbeiten. Sie sorgen für Halt, Stabilität und Beweglichkeit, vor allem bei Streckung, Beugung und Drehung der Wirbelsäule. Die Verletzung einer dieser Strukturen in der Lendenwirbelsäule kann Schmerzen im unteren Rücken verursachen. In vielen Fällen werden diese Schmerzen von mehr als einer Struktur ausgelöst, sodass es schwierig ist, die genaue Ursache der Schmerzen zu definieren. Die chronischen Kreuzschmerzen stellen ein chronisches Schmerzsyndrom im unteren Teil des Rückens dar, das mindestens drei Monate andauert. Es handelt sich weltweit um die zweithäufigste Ursache für die Einschränkung der Beweglichkeit und ist ein großes wirtschaftliches und soziales Problem. Die Begriffe Lumbalgie und Lumbago sind eine allgemeine Bezeichnung für die akuten Kreuzschmerzen und werden häufig synonym verwendet.

Anatomie (Anatomie der Lendenwirbelsäule)

Die Lendenwirbelsäule besteht aus fünf Wirbeln, die das Kreuzbein (einen dreieckigen Knochen am unteren Ende der Wirbelsäule) mit der Brustwirbelsäule (dem oberen Teil des Rückens) verbinden. Alle fünf Wirbel sind nummeriert. Der erste Lendenwirbel L1 liegt am nähesten zur Brustwirbelsäule. Der L5, der unterste Lendenwirbel, befindet sich am nächsten zum Kreuzbein. Der Buchstabe „L“ steht für „lumbar“.

Anatomie (Typischer Lendenwirbel)

Jeder Wirbel besteht aus einem vorderen Teil, der massiv ist und Wirbelkörper genannt wird (Corpus vertebrae) und aus einem hinteren Teil, dem Wirbelbogen (Arcus vertebrae). An der oberen und unteren Seite des Wirbelbogens gibt es Knochenvorsprünge, die Gelenkfortsätze (Processi articulari) genannt werden und den Wirbelbogen in Füßchen (Pediculus) und Platte (Lamina) teilen. Seitlich am Wirbelbogen sind die Querfortsätze gelegen (Processi transversi) und hinten in der Mitte befindet sich der Dornfortsatz (Processus spinosus).

Der Bereich zwischen dem oberen Gelenkfortsatz (Processus articularis superior) und dem unteren Gelenkfortsatz (Processus articularis inferior) eines Wirbels wird als Isthmus des Wirbelbogens (Pars interarticularis) bezeichnet.

Zwei benachbarte Wirbel sind durch die Bandscheibe, die Facettengelenke und die Bänder miteinander verbunden.

Anatomie (Bandscheiben)

Die Bandscheiben sind Stoßdämpfer, die sich zwischen den Knochen der Wirbelsäule (d.h. den Wirbeln) befinden. Sie tragen zur Erhaltung der Flexibilität des Rückens und gleichzeitig zum Widerstand gegen Kräfte bei und sie ermöglichen die Beugung, Biegung und Drehung der Wirbelsäule. Jede Bandscheibe besteht aus einer dicken äußeren Schicht, dem sogenannten Annulus fibrosus bzw. Faserring, der den weichen gallertartigen Kern umgibt, der als Nucleus pulposus bezeichnet wird.

Anatomie (Facettengelenke)

Die Facettengelenke verbinden die Wirbel der Wirbelsäule miteinander. Sie verleihen den Wirbeln Stabilität, Halt und Flexibilität, insbesondere bei der Streckung, Beugung und Drehung. Jeder Wirbel hat zwei Paare von Facettengelenken. Sie befinden sich im hinteren Abschnitt des Wirbels und aus diesem Grund werden sie auch hintere Wirbelgelenke genannt. Jedes Gelenk bildet sich aus dem unteren Gelenkfortsatz des oberen Wirbels und dem oberen Gelenkfortsatz des darunter liegenden Wirbels. Diese Gelenke sind mit Knorpel überzogen und von einer Kapsel umgeben. Jede Gelenkkapsel enthält viele mikroskopische nozizeptive Fasern (Schmerzrezeptoren), sodass diese Struktur eine potenzielle Schmerzquelle darstellt. Wie andere Körpergelenke auch, sind die Facettengelenke für Entzündung und Degeneration anfällig.

Anatomie (Spinalnerven)

Über die gesamte Länge der Wirbelsäule verläuft ein großer zentraler Kanal, der Wirbelkanal oder Spinalkanal genannt wird. Im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule verläuft in diesem Kanal das Rückenmark. Im Bereich der Lendenwirbelsäule enthält der Kanal ein Bündel von Nervenwurzeln. Öffnungen bzw. Löcher an jeder Seite des Kanals, die Zwischenwirbellöcher oder Foramina intervertebralia genannt werden (Austrittstellen zwischen zwei benachbarten Wirbeln), erlauben den Nervenwurzeln, von der Wirbelsäule in andere Körperregionen zu gelangen.

Häufige Ursachen (Muskelzerrungen und Verstauchungen)

Zerrungen oder Verstauchungen im unteren Rücken, die durch Schädigungen der Muskeln und der Bänder verursacht werden, sind die häufigsten Ursachen für Rückenschmerzen. Zerrungen treten auf, wenn ein Muskel überdehnt und gerissen wird. Verstauchungen entstehen dann, wenn aufgrund der Überdehnung und des Risses der Muskeln auch die Bänder miteinbezogen werden, die die Knochen zusammenhalten. Eine Muskelzerrung und/oder eine Verstauchung eines Bandes im unteren Rücken kann plötzlich auftreten, wie z.B. beim Heben eines schweren Gegenstandes oder durch Verdrehen der Wirbelsäule beim Heben. Sie kann sich aber auch im Laufe der Zeit langsam entwickeln, zum Beispiel durch wiederholte falsche Körperhaltung.

Häufige Ursachen (Bandscheibenvorfall)

Der lumbale Bandscheibenvorfall, also der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule, ist eine Erkrankung, die den unteren Rücken betrifft. Der Bandscheibenvorfall kann dazu führen, dass das Material aus dem Inneren der Bandscheibe nach außen tritt und so einen schädlichen Druck auf benachbarte Nervenwurzeln ausübt. Dies kann Rückenschmerzen und womöglich Schmerzen und Nervenbeschwerden verursachen, die in das Bein ausstrahlen.

Häufige Ursachen (Degenerative Bandscheibenerkrankung)

Eine weitere häufige Ursache für Schmerzen im unteren Teil des Rückens ist die degenerative Bandscheibenerkrankung. Es handelt sich um eine altersbedingte Erkrankung, die dann auftritt, wenn eine oder mehrere Bandscheiben abgenutzt sind oder Risse/Spalte aufweisen und so eine Verschiebung der Wirbel über und unter der entsprechenden Bandscheibe zulassen. Hierdurch können die Knochen aufeinander reiben und benachbarte Nervenwurzeln komprimieren und auf diese Weise Schmerzen und gegebenenfalls begleitende neurologische Symptome verursachen, wie z.B. Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche in den Versorgungsgebieten der betroffenen Nervenwurzeln.

Häufige Ursachen (Facettensyndrom)

Die Facettenerkrankung oder das Facettensyndrom bezieht sich auf den Schmerz, der von den entsprechenden Gelenken ausgeht. Die Erkrankungen dieser Gelenke zählen zu den häufigsten rezidivierenden Problemen des unteren Rückens, welche zu einer leichten bis hin zu einer sehr starken Aktivitätseinschränkung der Patienten führen können.

Häufige Ursachen (Spinalstenose)

Eine spinale Stenose ist eine Verengung des Wirbelkanals (des knöchernen Kanals, durch den die Spinalnerven oder das Rückenmark verlaufen) oder der Foramina intervertebralia (d.h. der Knochenöffnungen, durch welche die Nervenwurzeln aus dem Wirbelkanal austreten). Dieser Zustand kann zur Kompression der Nerven oder des Rückenmarks führen. Die spinale Stenose tritt oft als Folge von degenerativen Erkrankungen wie Gelenkverschleiß (Arthrose) und/oder degenerativer Veränderung der Bandscheiben auf. Die Lendenwirbelsäule ist der Abschnitt der Wirbelsäule, der am häufigsten betroffen ist.

Häufige Ursachen (Arthrose der Wirbelsäule/Spondylose)

Die Arthrose der Wirbelsäule tritt als Folge des natürlichen Alterungsprozesses auf. Sie kann jedes Segment der Wirbelsäule befallen und dabei Schmerzen und Beschwerden verursachen, die sich im Laufe der Zeit verschlimmern können. Die Spondylose ist ein Sammelbegriff für die Beschreibung der Schmerzen, die von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule verursacht werden, insbesondere bei Menschen über 50 Jahren.

Häufige Ursachen (Spondylolisthesis)

Eine Spondylolisthesis tritt auf, wenn sich ein Wirbel im Verhältnis zu dem darunter liegenden benachbarten Wirbel verschiebt. Meistens handelt es sich um eine Verschiebung nach vorne (Anterolisthesis), aber ein Wirbel kann sich auch nach hinten verschieben (Retrolisthesis). Dies kann eine Kompression der benachbarten Nervenwurzeln verursachen und zu Schmerzen und gegebenenfalls neurologischen Symptomen führen. Die Spondylolisthesis hat viele Ursachen. Häufige Ursachen sind angeborene Fehlbildungen im lumbosakralen Übergang, die das Gleiten des Wirbels L5 über das Kreuzbein zulassen, sowie auch eine Fraktur der Pars interarticularis des Wirbelbogens (zwischen den Facettengelenken) wegen Überlastung, die als Spondylolyse bezeichnet wird.

Die Spondylolisthesis kann auch durch mechanische Instabilität der Facettengelenke als Folge von degenerativen Erkrankungen wie Arthrose und/oder einer degenerativen Veränderung der Bandscheiben verursacht werden.

Häufige Ursachen (Dysfunktion des Iliosakralgelenks)

Die Iliosakralgelenke sind Gelenke zwischen dem Kreuzbein (einem dreieckigen Knochen am unteren Ende der Wirbelsäule) und dem Darmbein (einem Knochen des Beckens), welche mit starken Gelenkbändern verbunden sind. Sie sind von wesentlicher Bedeutung für die effektive Verteilung des Gewichts des Oberkörpers auf das Becken und die Beine. Die Iliosakralgelenke sind begrenzt beweglich. Die kleinen Bewegungen dieser Gelenke dienen der Stoßdämpfung und der Beugung nach vorne und nach hinten. Die Dysfunktion des Iliosakralgelenks stellt eine häufige Ursache für Schmerzen im unteren Rücken und/oder in den Beinen dar.

Symptome

Die Symptome können je nach Schmerzursache auf verschiedene Weise empfunden werden. Die Schmerzen im unteren Rücken können leicht und einfach nur unangenehm sein, sie können aber auch so stark sein, dass der Patient nicht mehr in der Lage ist, seine täglichen Aktivitäten auszuführen. Die Kreuzschmerzen können plötzlich auftreten oder sich langsam entwickeln und im Laufe der Zeit stärker werden.

Die axialen Rückenschmerzen sind die häufigste Form von Kreuzschmerzen. Es handelt sich um Schmerzen, die im Bereich des unteren Rückens bleiben. Sie können auch von Muskelkrämpfen und Verspannung im unteren Rücken, im Becken und in den Hüften begleitet werden.

Im Falle einer spinalen Stenose und eines lumbalen Bandscheibenvorfalls kann ein betroffener Spinalnerv akute und brennende Kreuzschmerzen verursachen, die in das Gesäß und die Beine ausstrahlen und möglicherweise von Kribbeln, Taubheitsgefühl und/oder Schwäche begleitet sind.

Die Kreuzschmerzen verschlimmern sich normalerweise nach langem Stehen oder Sitzen und bessern sich oft durch Positionswechsel und Bewegung.

Viele Menschen mit Kreuzschmerzen geben Symptome an, die morgens nach dem Aufwachen stärker sind. Diese Symptome lassen nach, wenn die Betroffenen aus dem Bett aufstehen und sich bewegen. Die Kreuzschmerzen am Morgen sind die Folge einer Steifigkeit, die durch eine längere Ruhezeit, eine verminderte Durchblutung während des Schlafs und gegebenenfalls die Qualität der verwendeten Matratze verursacht wird.

Behandlung

Die Optionen zur Behandlung der Schmerzen im unteren Rücken sind von der Schmerzquelle bzw. dem Schweregrad der Verletzung abhängig. Die Behandlung der Schmerzen im unteren Rücken zielt auf die Minimierung der Schmerzen, die Stabilisierung der Wirbelsäule sowie die Verbesserung bzw. die Erhaltung der Beweglichkeit ab. Dies kann durch Ruhe, Wärmetherapie, Analgetika/Antiphlogistika, Muskelrelaxantien, manuelle Therapie und Physiotherapie erreicht werden.

Zudem können therapeutische Wirbelsäuleninjektionen angewendet werden, um die Entzündung rund um einen komprimierten Nerv oder in anderen besonders schmerzhaften Bereichen wie in den Facetten- und den Iliosakralgelenken zu reduzieren und die Symptome zu lindern. Wenn die üblichen konservativen Therapiemethoden keine Wirkung aufweisen und der Patient positiv auf die Facettengelenksblockade reagiert hat, dann kommt als nächste Therapieoption die Radiofrequenzdenervation der Facettengelenke in Betracht.

Eine Operation kann empfohlen werden, wenn die konservativen Behandlungsmethoden keine ausreichende Schmerzlinderung verschaffen und die Lebensqualität des Patienten weiterhin beeinträchtig ist oder wenn ein schweres neurologisches Defizit wie progressive Muskelschwäche vorliegt.

 

Literaturangaben

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