Rückenschule

Rückenschulprogramme sind gruppenbasierte therapeutische Interventionen, die vorwiegend von spezialisierten Ärzten bzw. medizinischem Fachpersonal angeboten werden und auf die Therapie, Rehabilitation und Prävention von Rückenschmerzen abzielen.

Die Rückenschulprogramme im Rahmen der sekundären Prävention richten sich an Patienten, die bereits Rücken- oder Nackenschmerzen hatten und eine Wiederkehr der Beschwerden vermeiden möchten. Die Lerninhalte und Übungen der Rückenschulprogramme richten sich auch im Rahmen der primären Prävention an Menschen, die nie Rückenschmerzen hatten, aber ein hohes Risiko hierfür ausweisen: haltungsschwache Kinder und Jugendliche, Erwachsene mit Haltungskonstanz bei der Arbeit und alle Menschen mit schwachen Muskeln.

Im Rahmen der Rehabilitation und Prävention von Wirbelsäulenschäden, insbesondere im Falle von Bandscheibenerkrankungen, führen die Patienten Muskelkräftigungsübungen aus, um die Wirbelsäule zu stabilisieren und rückenschonende Techniken für das Heben, Tragen, Bücken, Sitzen, Stehen und Liegen zu erlernen. Weiterhin werden die richtigen Bewegungsabläufe und Körperhaltungen bei vielen täglichen Aktivitäten erlernt und eingeübt.

Die Lerninhalte bestehen dabei aus drei Teilen: 1. Informationen über die Anatomie und die Funktion der Wirbelsäule, die Biomechanik der Wirbelsäule (unter dem Begriff Biomechanik wird die kombinierte Untersuchung der Bewegungen aus anatomischer, physiologischer und mechanischer Sicht verstanden) und die Pathophysiologie der häufigsten Erkrankungen des Rückens. 2. Systematisches Durchgehen der Rückenschulinhalte zur Körperhaltung und zum Heben von Lasten, Bücken, Sitzen, Stehen, Liegen anhand der Rückenschulregeln. 3. Aktiver Wirbelsäulenschutz durch Gymnastik und Sport zur Erhaltung eines gesunden Rückens.

Die 10 Rückenschulregeln lauten wie folgt:

  1. Du sollst dich bewegen.
  2. Halte den Rücken gerade.
  3. Gehe beim Bücken in die Hocke.
  4. Hebe keine schweren Gegenstände.
  5. Verteile Lasten und halte sie dicht am Körper.
  6. Halte beim Sitzen den Rücken gerade und stütze den Oberkörper ab.
  7. Stehe nicht mit geraden Beinen.
  8. Ziehe beim Liegen die Beine an.
  9. Treibe Sport, am besten Schwimmen, Laufen oder Radfahren.
  10. Trainiere täglich deine Wirbelsäulenmuskeln.

 
Die Rückenschule basiert auf vier biomechanischen Grundlagen:

1. Osmotisches System der Bandscheibe aktivieren

Die Bandscheibe wirkt als osmotisches System. Die druckabhängige Flüssigkeitsverschiebung in und aus der Bandscheibe stellt die wesentliche Grundlage der Rückenschulregel Nr. 1 dar: Du sollst dich bewegen. Der regelmäßige Wechsel zwischen Be- und Entlastung der Wirbelsäule durch Aktivitäten wie Sport und Gymnastik regt den Stoffaustausch in der Bandscheibe an.

2. Intradiskale Druckspitzen vermeiden

Bestimmte Körperhaltungen und Bewegungsabläufe erhöhen den Druck in der Bandscheibe (den sogenannten intradiskalen Druck). Ein hoher intradiskaler Druck führt zur Verlagerung des Bandscheibengewebes und letztendlich zum Bandscheibenvorfall. Die Rückenschulregeln Nr. 2-6 haben diese biomechanischen Tatsachen zur Grundlage.

3. Teleskoping der Wirbelgelenke vermeiden

Bei axialer Belastung der Wirbelsäule werden die lumbalen Wirbelgelenke (Facettengelenke) teleskopartig ineinandergeschoben. Lordose und Hyperlordose verstärken diesen Effekt. Es kommt zu einer Überdehnung der Gelenkkapseln. Durch leichtes Anwinkeln der Beine kann man diesem ungünstigen Zustand entgegenwirken. (Rückenschulregeln Nr. 7-8).

4. Muskelkorsett aufbauen

Das Training der Bauch-, Rückenstreck- und Beinmuskulatur führt zu starken Muskeln, die die degenerativ gelockerten lumbalen Bewegungssegmente stabilisieren. (Rückenschulregeln Nr. 9-10).

Der Mangel an Bewegung und das falsche Heben und Tragen schwerer Lasten in Verbindung mit schwachen Muskeln führen früher oder später zu Rückenschmerzen. Die Rückenschulprogramme wurden entwickelt, um diese Grundlagen in die Praxis umzusetzen.

Die Beachtung der Rückenschulregeln führt zur Verringerung bzw. Vorbeugung der Rückenschmerzen.

Literaturangaben

Kraemer J., Hasenbring M., Kraemer R., Taub E., Theodoridis T., Wilke H.J: Intervertebral Disc Diseases: Causes, Diagnosis, Treatment and Prophylaxis. Thieme 2009.